Down-Syndrom

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Ein Baby mit Down-Syndrom – im ersten Moment für junge Eltern ein Schock. Die angeborene Chromosomenstörung verursacht körperliche Fehlbildungen und geistige Einschränkungen.

Im Interview mit Frau Dr. Elzbieta Szczebak vom Deutschen Down-Syndrom InfoCenter erfahren Sie was das Down-Syndrom ist, wie es erkannt wird und wie Kinder mit Down-Syndrom ein glückliches Leben führen.
 

Was ist das Down-Syndrom?

Aus der Sicht der Humangenetik sagen wir: Das Down-Syndrom ist eine Variante des menschlichen Chromosomensatzes. Menschen mit Down-Syndrom haben in jeder Körperzelle 47 Chromosomen, während die meisten von uns jeweils 46 Chromosomen in jeder Zelle haben.
Erklären wir es Kindern, sprechen wir in Bildern und sagen, dass unsere Körper aus vielen Zellen also Bauteilchen bestehen, dass der Bauplan für jede Zelle und ihre Aufgaben – ob Haut-, Knochen- oder Blutzellen – auf noch winzigeren Teilchen, die Chromosomen heißen, gespeichert ist. Jedes Chromosom ist ein Pärchen, es gehören also immer zwei zusammen. Menschen mit Down-Syndrom haben in jeder Zelle ein Chromosom mehr: das Chromosom mit der Nummer 21. Man kann deshalb zu Down-Syndrom auch Trisomie 21 sagen.
Im Körper von Menschen mit Down-Syndrom funktionieren manche Dinge ein wenig anders. Und das liegt eben daran, dass sie von einem ganz kleinen Bauteilchen in ihrem Körper mehr haben.
 

Welche Symptome hat ein Baby mit Down-Syndrom?

Es gibt einige gesundheitliche Symptome, die Babys mit Down-Syndrom mit auf die Welt bringen. Zunächst fallen sie bei der Geburt durch ihr charakteristisches Aussehen auf, beispielsweise ein rundlich wirkendes Gesicht, einen breiteren Augenabstand oder einen kleineren Mund mit manchmal leicht vorgestreckter Zunge. Ihr Geburtsgewicht und Geburtslänge liegen in der Regel unter dem Durchschnittswert. Fast bei allen Neugeborenen macht sich die Muskelschwäche (in der Fachsprache Muskelhypothonie) bemerkbar. Bis zu 50 % der Kinder haben einen angeborenen Herzfehler, der – falls eine operative Korrektur notwendig – heute sehr gut behandelbar ist. Eine weitere Gemeinsamkeit, die viele Kinder mit Down-Syndrom teilen, ist die Schilddrüsenunterfunktion. Nicht sofort bei der Geburt sichtbar, jedoch bald auffälig, kann eine Hör- oder Sehschwäche vorliegen. Die einzelnen gesundheitlichen Besonderheiten sind nicht bei jedem Kind gleichermaßen ausgeprägt, um so wichtiger ist eine gute Gesundheitsvorsorge von der Geburt an.
 

Durch welche Faktoren steigt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen?

Die Wissenschaftler wissen seit Jahren, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Alter der Mutter und der Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen. Diese Wahrscheinlichkeit steigt mit dem zunehmenden Alter der Eltern, wohlgemerkt können Frauen auch unter der sogenannten „Risikoschwangerschaft“-Grenze (unter 36 Jahren) ein Kind mit Trisomie 21 gebären. Es wird nach wie vor nach einer Erklärung dafür gesucht. Weil Trisomie 21 während der Teilung von elterlichen Keimzellen entsteht und zwar durch das Nicht-Auseinanderweichen (Fachbegriff Nondisjunktion) einzelner Chromosomenpaare, legt man den Forschungsfokus auf die Phase der Reifeteilung (Meiose). Allerdings werden die Untersuchungen bislang an Mausmodellen durchgeführt. Eindeutige Ergebnisse, die menschliche Fortpflanzung betreffen, gilt es deshalb noch abzuwarten.
Laut Prof. Wolfram Henn (Universitätsklinikum Saarland) liegt die Wahrscheinlichkeit für eine 25-Jährige Frau, dass ihr erwartetes Kind das Down-Syndrom hat, bei 1:1200, für eine 35-Jährige bei 1:400 und für eine 40-Jährige bei 1:100.
 

Welche Lebenserwartungen haben Kinder mit Down-Syndrom?

Heute erfahren Kinder mit Down-Syndrom – zumindest im Westen Europas – eine gute medizinische Vorsorge und Betreuung. Deshalb ist ihre Lebenserwartung deutlich gestiegen. Lediglich im Kleinkindalter ist die Sterblichkeit etwas höher, meistens bedingt durch zusätzliche organische Krankheiten wie schwere Herzfehler oder Leukämie. Ingesamt liegt aktuell die Lebenserwartung bei etwa 60 Jahren.
 

Zu Beginn der Schwangerschaft wird Frauen ein Ersttrimester-Screening zur Erkennung von Chromosomenstörungen – insbesondere von Trisomie 21 – angeboten. Sehen Sie diese Untersuchungen für sinnvoll an?

Es ist natürlich und nachvollziehbar, dass Eltern, die ein Kind erwarten, das Beste für ihr Baby hoffen. Wir haben es aber nicht in der Hand, ob unser Baby kerngesund, erkrankt oder mit einer Behinderung ausgestattet ist. Pränatal-diagnostische Methoden, die uns, und das seit Jahren, zur Verfügung stehen, verstärken oder gaukeln uns sogar bestimmte Sicherheiten vor. Kurzgesagt: Keine vorgeburtliche Untersuchung ist ein Garantieschein für ein gesundes Kind. Deshalb wäre es in jedem Fall sinnvoll, sich dessen im Vorfeld bewusst zu werden. Und auch im Vorfeld zu überlegen, habe ich wirklich gute Handlungsoptionen, wie handle ich, sofern mich eine pränatale Diagnosse aus der Bahn wirft.
 

Viele werdende Eltern sind bei der Diagnose „Down-Syndrom“ hin und hergerissen, ob eine Abtreibung in Frage kommt. Welchen Rat können Sie für diese schwierige Entscheidung geben?

Ich möchte es mir nicht anmaßen, Ratschläge zu geben. Es ist möglicherweise die dramatischste der Lebenseintscheidungen überhaupt. In der Beratung gehen wir sehr individuell und mit behutsamen Respekt gegenüber jeder persönlichen Abwegung vor. Wir schildern, mit welchen gesundheitlichen Problemen Eltern rechnen können und gleichzeitig, welche Therapien und Förderungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Wir zeigen auf, welche institutionellen und finanziellen Hilfen es gibt, berichten aus dem Alltag der Familien über die Freuden, aber auch über die Hürden. Wenn jemand es wünscht, ermöglichen wir persönliche Besuche bei den Familien. Niemand kann vorausschauen, wie sich ein Kind mit Down-Syndrom entwickeln wird, Studien zeigen jedoch, dass über 90 % der Familien von Glück berichten. Ihr Alltag ist manchmal anstrengend, die Herausforderungen phasenweise groß, aber das Glück tief.
 

Wenn sich Eltern für ein Baby mit Down-Syndrom und gegen die Abtreibung entscheiden, stößt dies in der Gesellschaft oft auf Unverständnis. Warum müssen Eltern sich für solch eine Entscheidung rechtfertigen und wie können diese Eltern seelisch unterstützt werden?

Es ist eine sehr komplexe Frage. Das Unverständnis hängt stark mit den gesellschaftlichen Erwartungen zusammen und diese wiederum mit dem medizinisch-technischen Fortschritt. Stellen wir uns selber die Frage, ob unsere Gesellschaft mittlerweile nicht nur „zumutbares“, wohl normiertes, also „behinderungsfreies“ Leben akzeptiert? Wir sind es gewohnt, alles zu optimieren und zu verschönern, möglichwerweise aus Angst vor dem, was zum Leben auch gehört, nämlich Schatten genauso wie Licht. Ich wage eine These, dass es starke, mutige Eltern sind, die sich bewusst für ein Kind mit Behinderung entscheiden. Manchmal sind sie selber überrascht, welche Potentialle in ihnen stecken. Zusätzliche Unterstützung und Bestätigung bekommen sie von Gleichgesinnten. Unsere Gesellschaft tut gut daran, die Werte, auf die wir bauen, immer wieder neu zu überdenken. Mehr Verständnis und Offenheit entsteht auch durch direkte Begegnungen und ein zeitgemäßes Wissen über das Leben von Menschen mit Down-Syndrom. Und dies beginnt bereits in der Kinderkrippe, die alle Kinder miteinander besuchen können.

Kann durch eine frühe Förderung dem Down-Syndrom entgegengewirkt werden?

Eine frühe Förderung, ob in Form von Physiotherapie, Logopädie oder Heilpädagogik, hilft die Folgen der Trisomie 21 zu mildern und sie auszugleichen. Hier empfehlen wir immer, so früh wie möglich mit unterstützenden Maßnahmen zu beginnen. Auch der Alltag bietet unzählige Gelegenheiten, spielerisch und praktisch das Kind in seiner Entwicklung zu fördern.
 

Was war Ihr bewegendstes Erlebnis bei der Arbeit mit den Menschen mit Down-Syndrom?

Mein Alltag ist voller bewegender Erlebnisse, deshalb kann ich mich schwer für nur eins entscheiden. Häufig ist es ein Satz, eine Bemerkung, die mich entweder zum Lachen bringt oder sehr nachdenklich macht. Das Leben bekommt durch die tägliche Auseinandersetzung mit den Menschen und Themen, die sie bewegen, eine Weite und eine Tiefe, die wir sonst vielleicht nur punktuell erleben. Ich fahre täglich mit der Bahn mit meiner Kollegin, die Mosaik Trisomie 21 hat, in die Arbeit. Im Zug schweigen wir, auf dem kurzen Fußweg ins Büro tauschen wir uns über dies und jenes aus. Vor kurzem dachte ich – der kurze gemeinsame Weg zur Atbeit ist mein „Gute-Laune-Programm“ am Morgen – Tag für Tag.
 

Können Kinder trotz Down-Syndrom „Kind sein“?

Absolut, sie sind Kinder – nicht „trotz“, sondern „mit“ Down-Syndrom! Natürlich haben sie es sich nicht ausgesucht, mit der Trisomie 21 geboren zu werden. Ihnen ist mit Sicherheit mehr
zuzutrauen, als die meisten Menschen glauben. Entgegen klischeehafter Vorstellungen sind ihre gesundheitlichen Voraussetzungen und geistige Ressourcen sehr unterschiedlich. Dementsprechend ist auch ihr Leben verschieden. Einige haben später mit dem Syndrom zu kämpfen, andere sind wahre Lebensgenießer. Ihre Eltern, ihr Umfeld setzen alles daran, sie zu fördern. Das gemeinsame Leben beschreiben sie sehr häufig als unglaublich bereichernd, ohne die Bruchstellen dabei zu verschweigen. Niemand, außer den Menschen selbst, kann sagen, wie gern oder ungern sie leben. Sie haben Recht auf das Sein, mit dem sie geboren sind. Dies anzuerkennen und zu unterstützen stärkt auch unsere Gesellschaft insgesamt.
 

Logo des Deutschen Down-Syndrom InfoCenter
Über das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter
Weitere Informationen hier in einer Kurzinfo und auf www.ds-infocenter.de
 

Elzbieta Szczebak ist promovierte Geisteswissenschaftlerin und seit 2011 für das Deutsche Down-Syndrom InfoCenter tätig. Unter anderem schreibt sie als Redakteurin für das Magazin „Leben mit Down-Syndrom“.